Eine kleine Familiengeschichte

Zwar kann ich keine so imponierende Familienchronik vorstellen wie meine Vor-Vorgängerin Zosia, ich bin nämlich aus einem ganz normalen bürgerlichen Haus. Den Adel haben wir nur von weitem gesehen und ich bin mir nicht so sicher, ob das nur von Nachteil ist. Wenn ich denke, wie viele adelige Häupter im Lauf der Geschichte gerollt sind... Und die Paparazzi heutzutage machen den Blaublütern das Leben ja auch nicht gerade einfach. Hmmm, da frage ich mich aber gerade, ob nicht doch vielleicht ein klitzekleines Bisschen blaues Blut in meinen Adern fliesst. Wenn ich an die stundenlangen Photosessions denke, die ich hier über mich ergehen lassen muss...

Nun, auch politisch sind meine Vorfahren nicht so bedeutend wie die Familie von Wiesia. Als 1291 die Schweiz gegründet worden ist (die Geschichtsforscher mögen mir diese falsche Darstellung verzeihen), lebten meine Vorfahren noch nichtsahnend im fernen Holland und ahnten nicht, dass sie irgendwann mal weiter im Süden ihre Höhlen graben würden.

Wobei ich endlich bei dem bin, was ich Euch eigentlich erzählen wollte: eine kleine Geschichte meiner Familie.

Val SinestraDie Spuren meiner Vorfahren verlieren sich in früheren Jahrhunderten. Wichtig für meine Geschichte sind eigentlich erst die Familienmitglieder, welche Ende des 19. Jahrhunderts das Reisefieber packte und die daraufhin in Richtung Süden aufbrachen. Ihnen wurde von den Nachbarn immer wieder von einem wunderschönen Tal in der Schweiz erzählt. Dort käme ganz gesundes Quellwasser aus dem Boden und die Umgebung sei einfach traumhaft. Das wollten meine Vorfahren, welche durch den Karottenhandel zu Wohlstand gekommen waren, mit eigenen Augen sehen und besuchten das Val Sinestra, ein Nebental des Engadins im Südosten der Schweiz.

Es blieb nicht bei dem einen Besuch. Jedes Jahr fuhren sie und ihre Nachfahren die weite Strecke von Holland ins Val Sinestra. Dies ging über Generationen und jedes Jahr fiel die Rückreise in den flachen Norden schwieriger. Schliesslich kauften sich die Deilenaars (so hiess meine Familie damals) ein Ferienhaus im Engadin und verbrachten immer mehr Zeit dort. Bis sich mein Ur-Grossvater dann entschloss, die Zelte in Holland endgültig abzubrechen. Er verkaufte den immer noch florierenden Karottenhandel und kaufte sich mit dem Erlös das Kurhaus im Val Sinestra.

Bald lernte er eine hübsche Engadinerin kennen und sie heirateten. Da er sich unterdessen mehr als Engadiner denn als Holländer sah, setzte er alle Hebel in Bewegung, dass er den Namen seiner Frau annehmen konnte. Das war damals noch gar nicht so einfach! Aber im nahen Südtirol fand sich dann doch eine Gemeinde, die sich gegen eine hübsche Summe erweichen liess und so kam meine Familie zum Namen Bardill.

In den 70er Jahren liess das allgemeine Interesse an Bade- und Trinkkuren nach und das Kurhaus wurde immer unrentabler. So beschloss mein Grossvater schweren Herzens das schöne Val Sinestra zu verlassen und zog etwas weiter nach Norden ins Zentrum der Schweiz. Bisher war das Mineraliensuchen nur ein Hobby gewesen, nun wollte er hauptberuflich Strahler werden. Und dafür erschien ihm die Gegend um Kerns im Kanton Obwalden richtig zu sein.

So kam meine Familie nach Kerns, wo sie bis heute geblieben ist. Die starke Verbindung ins schöne Bündnerland (Kanton Graubünden, dort wo das Val Sinestra und das Engadin liegen) hat sie aber beibehalten und darum haben wir alle rätoromanische Namen. Ich selber bin nun wieder ein bisschen weiter nach Norden gezogen, wer weiss, vielleicht landet unsere Familie plötzlich wieder an ihrem Ausgangsort: Deil in Holland!

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