Kaninchen und Frosch in Gesellschaft

Die Feldmaus hatte zu einem Gartenfest fast alle Tiere eingeladen: den Igel, den Iltis, die Eule, den Specht, den Salamander und wie sie alle heissen. Leider waren nur wenige gekommen, so dass ein langweiliger Abend daraus wurde. Das Kaninchen war auch auf dem Fest. Als er sich ein paar Kohlrüben holen wollte, stolperte er über etwas Kleines, Kaltes, Nasses.

"Nanu, das ist ja ein Frosch! Was treibt dich denn hierher?"

Der Frosch liess nur das breite Maul herunterhängen und sagte: "Quak."

"Was ist denn das für eine Antwort?"

"Ach, ich bin eigentlich auf der Wanderschaft. Ich suche den Teich, aus dem ich gekommen bin; erst, wenn ich ihn gefunden habe, werde ich Ruhe finden. Ich bin nur zufällig hier. Und du?"

"Das trifft sich gut," meinte das Kaninchen, "ich suche meine Höhle, aus der man mich herausgeschmissen hat. Dann können wir ja gemeinsam suchen!"

Gesagt, getan. Ohne der Feldmaus etwas zu sagen, verschwanden sie im hohen Gras. Es wurde Nacht, und jeder verkroch sich in einer Mulde aus Laub, weil keiner den anderen wärmen konnte. Als die ersten Sonnenstrahlen auf sie fielen, standen sie auf und gingen weiter, das Kaninchen hoppelnd, der Frosch hüpfend.

Gegen Nachmittag kamen sie auf eine Waldlichtung, die war vollgestellt mit bunten Zelten.

Viele Kaninchen und Frösche liefen hin und her oder sassen in Gruppen beisammen. Ein besonders dicker Frosch lud die beiden ein, sich zu ihnen zu hocken. Jetzt erfuhren sie, warum sie alle zusammengekommen waren. Der alte böse Wolf hatte angekündigt, er werde jetzt endlich die Kaninchen fangen und fressen. Die Frösche hatten zufällig davon erfahren und waren ihnen zu Hilfe geeilt.

So gingen sie ins Bett; zwei Frösche hielten Wache. Mitten in der Nacht, als alle schliefen, fuhr das Kaninchen mit einem Ruck von seinem Matratzenlager hoch: er hörte ein ständiges leises Knacken im Gebüsch. Vorsichtig weckte er die anderen und schaute durch einen Türspalt hinaus. Da – im Dunkeln sah er zwei glühende Augen, er hörte ein unterdrücktes Keuchen und ein scharfer Geruch drang in seine Nase. Sein Herz schlug bis zum Hals. Was sollte er tun, um sie alle zu retten? Da kam ihm eine Idee: er begann vorsichtig, mit seinen Hinterläufen auf den Boden zu trommeln dogdog – dogdog -, dann immer lauter. Plötzlich trommelten wie auf Kommando tausend Kaninchenn und tausend Frösche schrien auf einmal "Quaak!", so dass es klang wie ein riesiger Donnerschlag. Der Wolf machte sich vor Schreck in die Hose, zog den Schwanz ein und trottete davon. Ihm war für immer die Lust auf Kaninchenbraten vergangen.
Die Geretteten aber fielen sich vor Freude um den Hals und tanzten bis zum frühen Morgen.

Kaninchen und Frosch sagten den neuen Freunden auf Wiedersehen und zogen weiter, dem Unbekannten entgegen. So hoppelten und hüpften sie einen Tag, noch einen Tag, und endlich sagte der Frosch erschöpft:

"Ich glaube, wir finden meinen Teich und deine Höhle nie. Wohin sollen wir uns nur wenden?"

"Gib den Mut nicht auf", tröstete ihn das Kaninchen, " denn – wer sucht, der findet, wenn auch nicht immer das, was er sucht!"

Am siebenmal siebten Tag standen sie vor einem tiefen, dunklen Wald, der ihnen Angst einjagte, aber gleichzeitig zu flüstern und zu wispern schien: " Kommt herein, hier findet ihr das, was ihr sucht!" Sie nahmen allen Mut zusammen und gingen Hand in Hand hinein. Die Bäume sahen aus wie versteinerte Menschen, Bartflechten hingen herunter und streiften ihre Gesichter. Die Sonne war hinter düsteren Wolken verschwunden und sie liefen immer schneller. Plötzlich machten sie halt, denn sie wären fast in einen fauligen Tümpel gefallen, der sich reglos vor ihnen ausdehnte. Mitten drin erhob sich eine kleine Insel. Der Frosch machte einen Riesenhüpfer.

"Das ist mein Teich, so wie ich ihn in meinen Träumen immer gesehen habe! Ich bin am Ende meiner Suche – hier möchte ich leben."

"Und was wird aus mir?", fragte traurig das Kaninchen.

"Du kannst doch auf der Insel leben und deine Kohlrüben anbauen. Dann wären wir jeden Tag und immer zusammen."

Der Frosch hüpfte in hohem Bogen ins Wasser, das Kaninchen nahm einen Anlauf und landete auf der Insel. Aber, oh Schreck – das war ja gar keine! Sie fing an zu schwanken und wurde immer grösser. In Wirklichkeit war es ein Krokodil, das jetzt sein grässliches Maul aufsperrte und das Kaninchen fressen wollte. Er klammerte sich mit aller Kraft an diese warzige Schnauze und betete, dass er nicht herunterfalle.
Der Frosch erschrak sehr darüber, dass er seinen Freund in eine solche Lage gebracht hatte. Er schwamm so schnell es seine Pfötchen erlaubten, hinüber, hopste dem Tier in den Rachen hinein und kitzelte es am Gaumen. Das Krokodil begann zu würgen und prustete dann los.

Schnell sprang das Kaninchen ins Wasser und schwamm ans rettende Ufer, der Frosch, den das Krokodil wieder ausgespuckt hatte, hinterdrein. Mit wackeligen Beinen liefen sie weiter.

In jener Nacht schliefen sie nicht gut, sie träumten, dass sie immerfort im Kreise liefen, verfolgt von Wölfen, Krokodilen und Schlangen.

Nach siebenmal sieben Tagen standen sie am Fuss eines Gebirges, das in den Himmel zu ragen schien. Grau, öde und endlos sah es aus.

"Da müssen wir hindurch", sagten beide wie aus einem Mund und machten sich auf den schweren Weg. Jeden Morgen, den sie erwachten, sahen sie das Gleiche: graue, tote Steine und Berge.
Schliesslich entdeckten sie hoch oben eine Höhle. Das Kaninchen wurde ganz nachdenklich.

"Jetzt bin ich am Ziel", sagte es, "das ist die Höhle, nach der ich mich immer gesehnt habe."

"Und was mache ich dann ohne dich?", fragte der Frosch und liess das Maul hängen.

"Du bleibst natürlich bei mir. Wir stellen eine Wanne mit Wasser auf, dann kannst du täglich baden und immer bei mir sein."

Also kletterten sie den Berg hinauf und gingen in die Höhle hinein.
"Schau mal," jubelte der Kaninchen, "da ist ja ein schönes weiches Bett!" Der Frosch, der todmüde war, liess sich darauf fallen und streckte sich wohlig aus. Doch – oh graus – es fing an, sich zu bewegen und ein furchterregendes Brummen ertönte unter ihm. Diesmal begriffen sie sofort: sie hatten einen riesigen Bären für ein Bett gehalten. Der versperrte jetzt den Ausgang, so dass sie nicht fliehen konnten. Sie rannten immer weiter in die Höhle hinein. Es wurde enger, zu ihrem Glück, denn irgendwann blieb der Bär stecken und konnte weder vor noch zurück. Die beiden zwängten sich weiter durch den Gang, und endlich sahen sie wieder Tageslicht. Sie traten heraus und waren wie geblendet von der Sonne. Unter ihnen lag ein liebliches Tal, ein Bach schlängelte sich durch eine Wiese, Libellen schwirrten umher, es roch nach Tannenholz und ein Stück weiter weg stand ein gemütliches Häuschen. Aus seinem Schornstein kräuselte sich Rauch in den Himmel. Hand in Hand stiegen sie hinunter.
Was uns wohl diesmal erwartet?

Sie klopften an die Tür des Hauses und sie ging wie von selber auf. Durch zwei Räume schritten sie, ohne irgendjemanden zu sehen. Im dritten Raum hingen zwei grosse Spiegel an der Wand. Als sie darauf zu gingen, sahen sie einen Frosch und ein Kaninchen, die ihnen grinsend entgegenkamen.
"Sind wir das, oder was?", wunderte sich das Kaninchen. Die Gestalten kamen jedoch immer näher und plötzlich sprangen die Spiegel entzwei und sie standen wirklich und leibhaftig vor ihnen.
"Seid ihr endlich gekommen," sagte eine Stimme. Das Kaninchen nahm das Kaninchen, der Frosch den Frosch bei der Hand und sie führten sie zu einem Tisch, der mit den köstlichsten Dingen gedeckt war:

Kohlrübensuppe
Fliegenpfannkuchen
Gelberübensalat
Libellenbraten

Sie streckten die Beine unter den Tisch, Ruhe kehrte ein in ihre Herzen und sie wussten, dass sie am Ziel ihrer Reise angekommen waren.

Quelle: http://www.the-short-story.com/de/fairytale/7013_1.html

Seitenanfang

Zurück