Der Hase und der Wolf

In alter Zeit, in der Zeit der Tiere, da war der Wolf König und befahl, dass man ihm jeden Tag ein Stück Wild zum Fressen brächte. Eines schönen Tages kam die Reihe an den alten Hasen. Wie der wohl darüber dachte?

"Ich, in meinem Alter, soll noch vom Wolf gefressen werden? Das kommt ja gar nicht in Frage! Ich muss sehen, wenn es Nacht wird, einen Brunnen mit einer Wand zu finden, und der Mond muss scheinen."

Es wurde wirklich eine Nacht mit Mondschein, und der Hase setzte sich auf die Brunnenwand und sah seinen eigenen Schatten und räsonierte: "Gut, sehe ich meinen Schatten, so wird auch der Wolf den Schatten sehen, wenn er sich hierhersetzt, und dann werden wir schon einen Ausweg finden."

Als es schon stockfinstere Nacht war, zog er zum Haus des Wolfs. Der stand schon an der Tür und sagte:

"Na, zu so später Nachtzeit kommst du her?"

"Herr Wolf, Ihr habt doch gesagt, dass Ihr keinen anderen Wolf in Eurer Nähe sehen wollt, und ich habe heute den ganzen Tag einen gesehen."

"Und wo ist der?"

"Kommt bitte mit mir!"

Der Wolf ging mit.

"So, jetzt steigt auf diesen Brunnenrand! Dann seht Ihr den Wolf." Er tat das.

"Wollt Ihr nun sehen, wo der Wolf ist? Da ist er!"

Der Wolf fiel in den Brunnen hinein und war tot. Der alte Hase aber lebte noch lange, und man erzählte sich überall seine Geschichte.

Quelle: Portugiesische Märchen, rororo-Verlag (Reihe Diederichs Märchen der Weltliteratur)

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