Der Hase von Inaba

Vor langen Zeiten wohnte in einem Bambuswalde ein alter Hase. Einmal kam plötzlich eine grosse Wasserflut, und die Wellen untergruben die Wurzeln der Stämme des unter Wasser stehenden Bambuswaldes, wuschen sie fort und zerstörten den Wald. Der Hase rettete sich auf eine Wurzel und wurde auf ihr nach der Insel Okinoshima getrieben. Als dann das Wasser sich wieder verlaufen hatte, wollte er gern wieder in seine Heimat zurückkehren. Dies war ihm aber nicht möglich, da er nicht schwimmen konnte. Dort im Meer gab es viele Seeungeheuer, die man Wani nannte. Zu diesen sprach der Hase: "Wie gross ist eure Zahl?" Diese sagten: "So gross, dass wir das ganze Meer zu füllen vermögen." Der Hase antwortete: "Und meine Sippe ist so gross, dass sie Berge und Felder füllt. Lasst mich feststellen. welche Sippe die grössere ist. Zuerst lass mich eure Sippe zählen. Deshalb mögen alle Wani sich in eine Reihe legen, von dieser Insel bis zum Vorgebirge Ketanosaki, eins nach dem anderen will ich euch zählen und die Grösse eurer Sippe feststellen." So betrog der Hase die Wani, die sich Rücken an Rücken aneinandergereiht nebeneinander legten. Der Hase sprang auf ihre Rücken und lief, diese zählend, bis zum Vorgebirge Takesaki. Als er glaubte, mit dieser List seinen Zweck erreicht zu haben, rief er den Wani höhnend zu: "Ich habe euch betrogen! Nur zum Land herüberzukommen war meine Absicht, die Grösse eurer Sippe wollte ich gar nicht wissen." Da wurden die Wani alle zornig, griffen ihn und zogen ihm das Fell ab und machten ihn zu einem haarlosen Hasen. Doch der Gott Onamuchi hatte Mitleid mit ihm und gab ihm den Rat: "Streife Binsenblüten vom Stengel und wälze dich auf diesen." Als der Hase diese Lehre befolgte, wuchsen ihm wieder die Haare wie vordem.

Quelle: Japanische Märchen, rororo-Verlag (Reihe Diederichs Märchen der Weltliteratur)

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